Wunsch nach Mobilitätswende

Umfrageergebnisse zur Aktion Autofasten und das 9-Euro-Ticket machen ÖPNV-Bedarf deutlich

Die Aktion Autofasten Thüringen lädt seit 2011 jährlich Menschen dazu ein, während der Fastenzeit Alternativen zum Auto auszuprobieren und auf den öffentlichen Personennahverkehr oder das Fahrrad umzusteigen beziehungsweise zu Fuß zu gehen. Im Rahmen der diesjährigen Aktion, die vom 02.03.2022 bis zum 16.04.2022 stattfand, wurde erstmals eine Umfrage zum Mobilitätsverhalten durchgeführt, an der sich 551 Personen beteiligt haben. Die Rückmeldungen aus der Umfrage sollen dabei helfen, Alternativen zum Auto in Thüringen weiter zu verbessern.

Tilman Wagenknecht, Geschäftsführer von Bus & Bahn Thüringen e. V. (einer der Initiatoren des Autofastens), übergab nun in Erfurt die Umfrageergebnisse an die Thüringer Verkehrsstaatssekretärin Prof. Barbara Schönig. [unser Foto; Urheber/Fotograf: D. Santana, Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft]

Frau Prof. Schönig dankte den Initiator:innen des Autofastens für die Umfrage und erklärte: „Ihre Umfrageergebnisse und die Erfahrungen aus dem 9-Euro-Ticket bestärken die Thüringer Landesregierung, den ÖPNV weiter auszubauen – insbesondere in den ländlichen Räumen. Denn gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Regionen setzen die Gewährleistung von Mobilität für alle voraus, auch für jene, die das Auto nicht nutzen können. Und die Verkehrswende erfordert es, dass wir auch jene, die Auto fahren können, für die Nutzung des öffentlichen Verkehrs gewinnen müssen. Egal ob in der Stadt oder auf dem Land.“

Bei der Umfrage wurde u. a. erhoben, warum Busse und Bahnen oder das Fahrrad genutzt bzw. nicht genutzt werden, außerdem, unter welchen Bedingungen die Befragten Busse und Bahnen oder das Fahrrad nutzen würden und welche Anregungen sie für eine Mobilität ohne Auto haben. Der ökologische Aspekt steht bei der Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) im Vordergrund – mehr als 25 % der Antwortenden nannten diesen Beweggrund.

Rund 60 % der Antworten auf die Frage „Ich nutze Busse und Bahnen nicht, weil …“ verweisen darauf, dass das ÖPNV-Angebot in Thüringen nicht ausreichend ist, also dass die Verbindungen nicht passen, die Reisedauer zu lang wäre, man umsteigen oder zu viele Wege kombinieren müsse. Der Aspekt „ÖPNV ist zu unbequem“ wird kaum angeführt, woraus man schließen kann, dass fast alle Befragten mit der Fahrzeugqualität zufrieden sind. Fast ein Viertel der Befragten empfindet Busse und Bahnen als zu teuer. Ein geringer Teil (ca. 6 %) der Umfrageteilnehmer nutzt Busse und Bahnen nicht, weil sie einfach „lieber Auto fahren“.

Die in der Umfrage gestellten Fragen „Ich würde Busse und Bahnen nutzen, wenn…“, „Ich würde das Rad gern öfter nutzen, aber…“ oder „Ich habe folgende Anregungen für die Mobilität ohne Auto…“ bieten eine Fülle von Vorschlägen zur Verbesserung oder Veränderung des öffentlichen Personennahverkehrs und Radverkehrs als Alternative zur Autonutzung. So wird bspw. der Ausbau des ÖPNV dringlich angemahnt. Das soll alles auch unter dem Aspekt sinkender Nutzerentgelte geschehen. Die Kombination der Verkehrsmittel Bus/Bahn/Fahrrad steht vielfach im Vordergrund. Dabei soll die Reisekette des ÖPNV durch schnellere Verbindungen, kurze Umstiege oder engere Taktung optimiert werden. Die Forderung nach dem Ausbau des ÖPNV an Tagesrandlagen und am Wochenende macht deutlich, dass mit der Umfrage tatsächlich die Menschen erreicht worden sind, die den ÖPNV und das Fahrrad als Verkehrsmittel ernst nehmen.

Bei der Frage nach der Nichtnutzung des Fahrrades stehen vor allem persönliche, gesundheitliche oder rein praktische Hinderungsgründe im Vordergrund. Viele Befragte äußerten Angst vor Diebstahl und bemängelten sichere Abstellmöglichkeiten ihrer (teuren) Fahrräder sowohl im privaten als auch im öffentlichen Umfeld. Deswegen wird auch oft eine Verbesserung der Mitnahme von Fahrrädern in Bus und Bahn erwähnt. Zudem spielt die Sicherheit im Straßenverkehr eine erhebliche Rolle, was sich in der häufigen Forderung nach Ausbau der Fahrradinfrastruktur zeigt.

Die wesentlichen Vorschläge zur Verbesserung des ÖPNV und des Radverkehrs im Überblick:

  • bessere Anbindung des ländlichen Raumes
  • höhere Taktung im ÖPNV (auch am Wochenende, frühmorgens und spätabends)
  • bessere Bus-Bahn-Verknüpfung
  • günstigere Ticketpreise im ÖPNV
  • bessere Abo-Angebote im ÖPNV
  • Einführung von Kurzstreckentickets im ÖPNV
  • kostenfreier ÖPNV für Schüler und Auszubildende
  • stärkerer Ausbau von Fahrradwegen
  • sichere Fahrradabstellmöglichkeiten
  • autofreie Innenstädte

Auch die Erfahrungen aus der Nutzung des 9-Euro-Tickets zeigen deutlich, dass die Menschen preisgünstige und unkomplizierte ÖPNV-Angebote annehmen und bereit sind, ihr Mobilitätsverhalten zu ändern, wenn die Voraussetzungen stimmen. Für eine erfolgreiche Mobilitätswende und die Umsetzung der politischen Nachhaltigkeits- und Klimaziele ist es daher dringend notwendig, am Ausbau des ÖPNV und an einer geeigneten Nachfolgeregelung zum 9-Euro-Ticket zu arbeiten.  

Tilman Wagenknecht, Geschäftsführer von Bus & Bahn Thüringen e. V., sagt dazu: „Das Prinzip „Angebot schafft Nachfrage“ gilt im öffentlichen Verkehr mit Bus und Bahn unverändert. Nun ist es nötig, Kräfte zu bündeln, um Angebote auszubauen und tarifliche Zugangshemmnisse zu verringern.“

Prof. Barbara Schönig ergänzt: „Der Freistaat Thüringen hat in den letzten Jahren seine Ausgaben für den ÖPNV deutlich gesteigert. Im Jahr 2019 haben wir rund 340 Millionen Euro Bundes- und Landesmittel in den ÖPNV investiert. Für 2022 rechnen wir mit einem Mittelbedarf von über 463 Millionen Euro, inklusive der Corona-Hilfen und Mittel für das 9-Euro-Ticket. Wir müssen uns aber im Klaren sein: Für die Umsetzung der weitreichenden Ziele der Verkehrswende und als Instrument der sozial gerecht ausgestalteten Daseinsvorsorge brauchen wir einen flächendeckend attraktiven ÖPNV als echter Alternative zum Auto. Dies wird uns nur gelingen, wenn wir erheblich höhere Finanzmittel einsetzen. Deswegen haben alle Verkehrsministerinnen und -minister der Länder den Bund erneut aufgefordert, deutlich mehr Regionalisierungsmittel bereitzustellen.“

Hintergrund:

Aktion Autofasten Thüringen

Die Aktion lädt jährlich dazu ein, während der Fastenzeit Alternativen zum Auto auszuprobieren. Initiatoren der Aktion sind Bus & Bahn Thüringen e. V., die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) und seit diesem Jahr erstmals auch das Bistum Erfurt. Mehr als 70 Partner unterstützen die Aktion – das sind neben dem Verkehrsverbund Mittelthüringen (VMT) sowie zahlreichen Thüringer Verkehrsunternehmen unter anderem mehrere Thüringer Landkreise und Städte, der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC), teilAuto Thüringen sowie verschiedene Institutionen und Verbände.

Bus & Bahn Thüringen e. V.

15 Bus- und Bahnunternehmen sowie Institutionen sind bei Bus & Bahn Thüringen e. V. organisiert. Der Verein arbeitet als Dienstleister für seine Mitglieder, die Verkehrsunternehmen. Es werden gemeinschaftlich verschiedene Aufgaben gebündelt, z. B. Fahrplanerstellung und Fahrplanauskunft, das gemeinsame Portal www.bus-bahn-thueringen.de, die Herausgabe der Kundenzeitschrift omni, das Bereitstellen von Werbematerialien, die fachliche Betreuung von kooperativen Fahrscheinen und Tickets sowie das Organisieren von gemeinsamen Veranstaltungen und Aktionen in der Öffentlichkeit. Außerdem koordiniert der Verein Projekte im touristischen Bereich.

Erfurt, 02. September 2022

Kontakt

Bus & Bahn Thüringen e. V.

Stotternheimer Straße 6/7, 99086 Erfurt
Tel.: 0361 789 837 20

www.bus-bahn-thueringen.de

Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft

Werner-Seelenbinder-Straße 8, 99096 Erfurt
Tel.: 0361 57 411 1740

www.infrastruktur-landwirtschaft.thueringen.de